Anschlusshilfen und Hilfeplanung

Die Inobhutnahme endet mit der Einleitung der Anschlusshilfe oder der Übergabe an eine sorgeberechtigte Person. Anschlusshilfen umfassen im SGB VIII verschiedene Hilfeformen; grundsätzlich steht unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten das gesamte Leistungsspektrum der Kinder- und Jugendhilfe zur Verfügung. Eine Unterbringung in einer integrierten oder spezialisierten Wohngruppe, in einer Pflegefamilie, das offene Jugendwohnen, betreutes Wohnen oder ambulante Hilfen sind bspw. mögliche Hilfeformen, in denen sich junge Geflüchtete wiederfinden. Die quantitativ bedeutsamste Hilfeform ist die Heimerziehung.

Die Anlässe einer Hilfegewährung und Entscheidung für eine stationäre Unterbringung können bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten von Kindern und Jugendlichen ohne Fluchtgeschichte abweichen, wie nachfolgende Tabelle verdeutlicht.

Vor diesem Hintergrund gilt es, gemeinsam mit dem jungen Menschen zu eruieren, welche Art und welchen Umfang der Hilfe er/sie benötigt. Die Entscheidung zu Umfang und Art der Hilfegewährung ist Teil des Clearingprozesses. Im Rahmen des Hilfeplanverfahrens nach §36 SGB VIII wird die konkrete methodische Umsetzung der jeweiligen (Anschluss-)Hilfen festgelegt.

Die Hilfeplanung nach §36 SGB VIII

Hilfeplanung ist der Oberbegriff für die in § 36 SGB VIII vorgegebenen Elemente eines Hilfeprozesses. Als Hilfeplanung bezeichnet man somit den Gesamtprozess von der Beratung und Beteiligung über die Bedarfsfeststellung und Aufstellung des Hilfeplans bis hin zur Beendigung einer Einzelfallhilfe.

Das Hilfeplanverfahren bezeichnet die konkrete methodische Umsetzung des Hilfeplanungsprozesses im Jugendamt. Damit handelt es sich um das zentrale Verfahren der Kinder- und Jugendhilfe, um sicherzustellen, dass in jedem Einzelfall bedarfsgerechte und geeignete Hilfen ausgestaltet werden.

Neben inhaltlich zu klärenden Aspekten zur bedarfsgerechten Hilfeform und -ausgestaltung, gilt es im Hilfeplanverfahren spezifische Punkte gezielt zu thematisieren, um die aktuelle Lebenssituation der jungen Menschen mit Fluchtgeschichte angemessen aufzugreifen und mit ihnen an guten Zukunftsperspektiven erarbeiten zu können. Folgende Aspekte sollten dabei insbesondere berücksichtigt werden (vgl. Dittmann/Moos 2018):

  • Klärung Vorgehen Asylverfahren, aufenthaltsrechtliche Aspekte, Klärung von Fragen zur Sicherung des Aufenthalts
  • Erwerb deutscher Sprachkenntnisse
  • Biographiearbeit
  • Ggf. Umgang mit traumatischen Erfahrungen
  • Vermittlung alltagspraktischer Kompetenzen
  • Erwerb eines qualifizierten Schulabschlusses/berufliche Qualifizierung
  • Gelingender Übergang von Schule in Ausbildung
  • Pflege der kulturellen und religiösen Identität
  • Förderung der Kontakte zur Herkunftsfamilie
  • Frühzeitige Planung der Übergangsgestaltung zum Ende der Jugendhilfemaßnahme

Beteiligung in der Hilfeplanung

Die allgemeinen Standards einer Hilfeplanung gelten ebenso in der Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten und bilden das Fundament der Zusammenarbeit. Die aktive Beteiligung der jungen Menschen an diesem Prozess nimmt eine Schlüsselrolle ein.

Um dem Anspruch gerecht werden zu können, das Hilfeplanverfahren als beteiligungsorientierten Prozess auszugestalten, sind Fachkräfte aufgefordert zu reflektieren, was die jungen Menschen an Vorbereitung und Unterstützung brauchen, um sich aktiv in das Hilfeplanverfahren einbringen zu können. Sie müssen ihre Rechte und Möglichkeiten kennen, über die Rollen und Aufgaben der anwesenden Akteur*innen informiert sein und das Ziel der Hilfeplanung verstehen. Hierfür ist eine Vorbereitung der Hilfeplangespräche gemeinsam mit den jungen Menschen bedeutend. Im Überblick bedeutet dies (vgl. Dittmann/Moos 2018):

  • Vorbereitung der Hilfeplangespräche mit den Jugendlichen als Voraussetzung für Beteiligung
  • Aufklärung über eigene Rechte und Möglichkeiten
  • Aufklärung über Rollen/Aufgaben der einzelnen Akteur:innen
  • Vermittlung des Stellenwerts eines Hilfeplanverfahrens
  • Wissensvermittlung zur Rolle des Jugendamts und zum Verhältnis Kinder- und Jugendhilfegesetz/ Asyl- und Ausländerrecht
  • Ggf. Vertrauensfrage in behördliche Strukturen thematisieren
  • Beteiligung nicht nur im Hilfeplangespräch, sondern im Gesamtprozess der Hilfe
  • Organisation eines Übersetzers/einer Übersetzerin; Rückversicherung, dass Inhalte tatsächlich verstanden wurden

Die Befähigung zur aktiven Mitgestaltung des Verfahrens ist auch deshalb so wichtig, damit die Hilfe zur Hilfe des jungen Menschen wird und sie entlang seiner Vorstellungen und Wünsche angemessen ausgehandelt wird.

Alternative Formen des Einbezugs der Eltern und Geschwister in der Hilfeplanung

Die Tatsache, dass sich junge Geflüchtete ohne ihre Eltern in Deutschland aufhalten, heißt nicht, dass die Kinder und Jugendlichen keinen Kontakt zu ihren Müttern und Vätern oder anderen sorgeberechtigten Personen haben oder diese nicht dennoch einen großen Einfluss auf die Hilfe nehmen können. Besteht Wissen über die aktuelle Lebenssituation der Eltern, so gilt es, im Hilfeplanungsprozess zu sondieren, inwiefern Kommunikationsmöglichkeiten mit ihnen bestehen, und ihren Willen im Hilfeprozess grundsätzlich zu berücksichtigen. Auch der Kontakt zu Geschwistern muss mit in den Blick genommen werden. Unbegleitete junge Geflüchtete erleben eine räumliche Trennung von der Familie oder von einzelnen Familienmitgliedern und benötigen daher Unterstützung bei der Beziehungsarbeit, auch über Landesgrenzen hinweg. Auch hier gilt es, die Kontaktaufnahmen zu unterstützen, sofern der Beziehungserhalt seitens des jungen Menschen gewünscht ist und sich positiv auf die Entwicklung des Kindes/des Jugendlichen auswirkt.

Es ergibt sich somit die fachliche Herausforderung, Elternarbeit und Eltern- sowie Geschwisterbeteiligung im Hilfeplanverfahren konzeptionell neu zu justieren und einzubeziehen (vgl. Dittmann/Moos 2018).

Grenzen und Spannungsfelder in der Hilfeplanung mit unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten

Unbegleitete minderjährige Geflüchtete befinden sich permanent in einem rechtlichen Spannungsfeld. Aufgrund ihrer Minderjährigkeit fallen sie in den Zuständigkeitsbereich des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Die Tatsache, dass sie schutzsuchend nach Deutschland einreisen, bewirkt jedoch auch, dass die Regelungen des Asyl- und Aufenthaltsrechtes für sie gelten. Diese Verortung im Spannungsverhältnis zweier Gesetze mit zum Teil sehr unterschiedlicher Ausrichtung und Zielperspektive stellt eine große Herausforderung für die Praxis der Fachkräfte und den Alltag der jungen Menschen dar.

Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe sind daher gefordert, sich rechtliche Grundkenntnisse anzueignen und Kooperationen zu Rechtsexpert*innen und Ausländerbehörden aufzubauen, um im Einzelfall anstehende Aspekte einschätzen und klären zu können. Zudem müssen Sie die jungen Menschen dabei unterstützen, eine Hilfe- und Lebensplanung zu leisten, während die Zukunftsperspektive und der Verbleib in Deutschland unsicher und ungeklärt ist. Daher muss das asyl- und aufenthaltsrechtliche Verfahren als ein Teil im Hilfeplanverfahren Berücksichtigung finden (vgl. Dittmann/Moos 2018).


Weiterführende Inhalte: 

Dittmann, Eva; Moos, Marion (2018): Anforderungen und Entwicklungsbedarfe zur Qualifizierung der Hilfeplanung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
In: Brinks, Sabrina; Metzdorf, Anika (Hrsg.): Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Verfahrensabläufe in der Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Mainz 2018.